Ralph war mein "Schulgspänli" bei meiner Ausbildung zur Biersommelière. Auf der Geschäftsnetzwerkplattform Xing stellt Ralph interessante Artikel über Bier rein, sei es lokal oder international. Und wie ich schätzt er es, den Gaumen immer wieder mit leckeren Bieren zu überraschen.
Wir sind 2016 zum Biersommelier zertifiziert worden. Mittlerweile hat sich die Beziehung der Schweizer Bevölkerung zum Bier aus meiner Sicht positiv gewandelt. Empfindest du das in deinem Umkreis auch so, dass die Vielfalt des Bieres mehr und mehr geschätzt wird?
Jein, natürlich gibt es immer mehr Kleinstbrauereien in der Schweiz und die Biervielfalt nimmt immer stetig zu. Auch die Grosskonzerne lancieren eigene Craftbierlinien, um auf diese Flut von Craftbieren reagieren zu können. Aber: Kaum ein normaler "Lager hell Trinker" verläuft sich an ein Craftbeer-Festival. Dort ist die Szene mit ein paar wenigen Ausnahmen wie Bülach oder Zürich unter sich. Einziger grosser Berührungspunkt sind die Solothurner Biertage. Diese werden langsam aber leider zu einem überdimensionalen Oktoberfest. Die meisten Besucher fragen dort nach einem Hellem und gehen dann weiter, nachdem ich verneinte. Die wenigsten kann ich dann zu einem leichten obergärigen Ale überreden. Letztes Jahr hatte ich am Nachmittag Bekanntschaft mit einem typischen Lager-Proleten gemacht, den ich aber zu einem Pale Ale bewegen konnte. Nach 10 Minuten kam er mit einer Gruppe zurück und erklärte allen, hier gebe es gutes Bier. Ein Glas später wechselten Sie auf ein Amber Ale. Das Wort Amber zieht in der Schweiz sehr gut seit Ittinger Klosterbräu. Und dann wurde alles durchprobiert…. und mein Kunde blieb bei einem Imperial Stout mit 9 % ABV hängen und kam immer wieder, bis 3 Uhr morgens hatte er etwa 2 Liter intus.
Private Bier-Seminare, die ich anbiete, werden selten gebucht, da sich die Leute nicht viel darunter vorstellen können und das Gefühl haben, dass das, was im Restaurant aus dem Zapfhahn kommt, Bier sei. Andere haben bei einer Gastrobrauerei, die nur untergärige Lagerbiere braut, ein Brauseminar besucht und meinen nun, sie wissen was Bier sei. Auch bei meinen Beer & Dines habe ich wenige Teilnehmer, die Stammkunden oder Gäste vom jeweiligen Restaurant sind, da sich der Gast nichts darunter vorstellen kann, der Gourmet eher Wein bevorzugt sowie der Biertrinker massenhaft Lager in sich hineinschüttet und das Gefühl hat, er macht bereits Foodpairing mit Bier, wenn er zum Wurst-Käse-Salat eine Dose Industrie-Lagerbier trinkt. Die wenigen, die ein Seminar oder Beer & Dine besuchen, sind meistens begeistert und kommen immer wieder an ein Anlass, nehmen ihre Kollegen mit und sind in Sachen Bier-Geschmack nachhaltig "verdorben", wie der Herr an den Solothurner Biertagen.
Ein langsamer, schleppender Prozess. Ich habe aber noch Zeit und Freude, allen gutes Bier schmackhaft zu machen.
Du bietest immer wieder Verkostungen in Restaurants an, sogenannte Beer & Dine’s. Wie sind die Reaktionen deiner Kursteilnehmenden auf Foodpairings, das heisst die Kombination von verschiedenen Bieren zu verschiedenen Speisen? Vielleicht gibt es ein lustiges Erlebnis dazu?
Wie bereits vorher erwähnt, haben wir relativ wenige Leute, die mitmachen. Vor allem wenn man sieht, was wir den Teilnehmern bieten. Da gibt es Restaurants, die bieten 6 Gänge inkl. Bier, Wasser und Sommelier für CHF 75.00 an, inserieren im Züri Tipp und doch sind nur Insider dabei. Dort habe ich ein Tripel von Oedipus mit Galgantwurzel und Piement namens Thai Thai zur gebackenen Ananas mit Honigsauce, Kokoseis und Sesam serviert. Eigentlich kein After-Dinner-Bier, aber ein Geschmackserlebnis!
Beim letzten Beer & Dine im Jahre 2019 waren 2 angehende Biersommerlières als Teilnehmer dabei und haben alles aufgesogen und notiert. Sie waren extra deswegen vom Ricken nach Oetwil am See gereist. Mittlerweile haben beide den Lehrgang absolviert und bestanden. Ich denke, der Besuch bei mir hat dazu beigetragen.
In der Schweiz versuchen die Grossbrauereien oft auch auf der Craftbierwelle zu surfen. Unter handwerklich gebrautem Bier stellt sich die Kundin und der Kunde aber etwas anderes als Massenbierhaltung vor. Kleine Brauereien werden andererseits häufig von ihrem Erfolg überrannt und können die Nachfrage nicht mehr decken. Ein Dilemma?
Wie schon unter 1. angeführt. Craftmanship heisst Handarbeit! Wenn eine Industrie-Lagerbier-Brauerei ein IPA braut, hat dies damit nichts zu tun. Leider probiert der Konsument eher bei seiner bekannten Brauerei einen neuen Bierstil aus.
Kleinbrauereien müssen sich von Anfang an diese Frage stellen. Produziere ich lieber klein mit den möglichen Mitteln und bin dann ab und zu ausverkauft oder soll ich investieren. Meistens ist dies mit grossen Kosten und Unsicherheiten verbunden, wechseln der Immobilie, neue grössere Kessel und Kündigung des normalen Berufes.
Wenn man aber gut aufgestellt ist, in der Region fest verankert, kann man sich das durchaus zutrauen, wie z.B. St. Laurentius. Die haben seit Eröffnung 2015 wegen Vergrösserung die Brauerei dreimal gezügelt und eröffnen 2020 in der neuen Brauerei einen Taproom.
Ich war neulich auf der Suche nach einer Auswahl an excellenten Weizenbieren aus der Schweiz, die auch gut "nachkaufbar" sind. Da musste ich feststellen, dass dies nicht ganz einfach ist. Sollen die gängigen Bierstile weltweit gebraut werden oder gehören die Spezialitäten in geografische Schranken gestellt?
Bei vielen Schweizer Crafbier-Brauereien wird Weizenbier nur saisonal für den Sommer gebraut. Ich finde nicht, dass Spezialitäten in geografischen Schranken gestellt werden müssen, ausser die Herstellung von Lambic, das in Belgien immer noch spontan vergärt wird und es diese wilde Hefe nur in der Nähe von Brüssel gibt. Aber die Erhältlichkeit hat halt wieder mit Punkt 3. zu tun.
Wenn du ein Bier wärst, was für eine Sorte wärst du?
Ich will jetzt nicht zu philosophisch werden oder mein "Ich" psychisch zerlegen: "Weil ich so, so und so bin, wäre ich diese Sorte."
Aber mein totales Lieblingsbier ist Rodenbach Vintage 2012. Ein flämisches Red-Sour-Ale, zwei Jahre als Oude Bruijn in Eichenfässern ausgebaut. Single Cask Abfüllung. Alle Biere von Rodenbach sind super, aber säuerlich nach Aceto Balsamico duftend.